Gesundheitsgefahr Lärm: Tagung der Lärmliga zeigt Gefahren und Lösungen auf
Zum Einstieg zeigten Dr. Omar Hahad und Benedikt Wicki die schwerwiegenden gesundheitlichen Auswirkungen von Lärm auf Menschen. Omar Hahad vom Zentrum für Kardiologie an der Universitätsmedizin Mainz führte in seiner Präsentation «Psycho-kardiovaskuläre Reaktionen auf Lärm: Wie Lärm Herz und Seele beeinflusst» aus, wie nötig Lärmschutz ist. Er zitierte Nobelpreisträger Robert Koch, der bereits 1910 festhielt: «Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Pest und die Cholera.» Hahad untermauerte die Aussage mit aktuellen Zahlen: Laut der Europäischen Umweltagentur führt chronische Lärmexposition durch Flug-, Strassen- und Schienenverkehrslärm jährlich zu starker Lärmbelästigung bei 22 Millionen und starken Schlafstörungen bei 6.5 Millionen Menschen in Europa.
«Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Pest und die Cholera.»
Nobelpreisträger Robert Koch, 1910
Verkehrslärm kann chronische Stressreaktionen hervorrufen und neben Schlafstörungen auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen: Omar Hahad ging in seinem Vortrag vertieft auf den Aspekt Fluglärm ein und zeigte auf, dass Fluglärm eine besonders lärmbelastende Wirkung auf die Bevölkerung hat: Im Vergleich zu den verschiedenen Verkehrsarten sorgt Fluglärm für den höchsten Anteil an der gesamten extremen Lärmbelästigung, besonders in der Nacht. Die Ergebnisse einer Feldstudie bestätigen auch die dadurch hervorgerufenen gesundheitlichen Folgen: Fluglärm in der Nacht bewirkt eine signifikante Verschlechterung der Schlafqualität, eine erhöhte Ausschüttung von Adrenalin und eine Verschlechterung der Funktion der Blutgefässe. Dabei macht es keinen Unterschied, ob man wenigen sehr lauten oder vielen leisen Fluglärmereignissen ausgesetzt ist. Eine weitere interessante Erkenntnis der Studie: Die Funktion der Gefässe nach der Lärmexposition konnte durch Verabreichung von Vitamin C deutlich verbessert werden, so Hahad.
Blitzkasten gegen übermässigen Lärm
Der Star der Tagung hat fünf Mikrofone und sagte kein Wort: Der sogenannte «Lärmblitzer», ein Blitzkasten, der zu laute Auto- und Motorfahrzeuge fotografiert, deren Kennzeichen ausliest und zur Verzeigung empfiehlt, feierte an der Tagung seine Schweizer Premiere. Behördenvertretende liessen sich über die Arbeitsweise und Technik des «Akustik-Blechpolizisten» informieren. In den Kantonen, aber auch innerhalb der Stadtgrenzen, denkt man laut darüber nach, solche Geräte aufzustellen.
Raphaël Coulmann von Bruitparif präsentierte den Blitzer mit Livedaten aus den Pilotanlagen, die in Frankreich bereits im Einsatz sind. Zu laute Fahrzeuge, die einen gewissen Dezibel-Wert überschreiten, werden vom Messgerät erfasst und das Kennzeichen zur Verzeigung fotografiert. Ob ein Auto zu laut ist, hängt hauptsächlich von der Fahrweise ab. Für ältere Fahrzeuge mit technologiebedingt höheren Schallwerten sollen entsprechende Ausnahmeregelungen gelten.
Verkehr, Architektur und Raumplanung & Auralisierung von Strassenlärm
Dass sich Lärmschutz lohnt, zeigten Expertinnen und Experten aus Verkehr, Architektur und Raumplanung in Vorträgen und Diskussionsrunden auf. Unter dem Titel «Urban Asphalt» teilte Tina Saurer, Projektleiterin des auf Lärmakustik spezialisierten Ingenieurbüros Grolimund + Partner, die neuesten Erkenntnisse zur Wirkung lärmmindernder und kühlender Strassenbeläge im städtischen Raum. Die Erfahrungen mit semidichtem Asphalt (SDA) in der Schweiz zeigen, dass solche Beläge vermögen, die Lärmimissionen deutlich zu reduzieren, so Saurer. Auch die Hitzereduzierung mit Strassenbelägen wurde mit Teststrecken in Bern, Zürich und Sion bereits erfolgreich getestet. Saurer bestätigt auch, dass eine Kombination von lärm- und hitzereduzierenden Massnahmen möglich ist.
Das fachkundige Publikum konnte im «Strassenlärm Demonstrator» der Stadt Zürich, der von den Akustik-Experten Beat Hohmann und Kurt Eggenschwiler eigens für die Tagung in Bern aufgebaut wurde, Lärm auch mit den eigenen Ohren erleben und am eigenen Leib erfahren, wie eine erträgliche Geräuschkulisse nur wenige Dezibel lauter zu unerträglichem Lärm wird. In zwei Gruppen lauschten die Teilnehmer:innen der Geräuschkulisse von verbrenner- und elektrobetriebenen Fahrzeugen bei verschiedenen Tempi und auf unterschiedlichen Belägen.
Den vollständigen Bericht entnehmen Sie dem Jahresbericht 2022.